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Wie kam es zu den christlichen Begrifflichkeiten von "Altem Testament" und "Neuem Testament"?

Für die meisten Menschen wird diese folgende Geschichte vollkommend fremd sein: Wie kam es dazu, dass wir heute diese Begrifflichkeiten "Neues Testament" und "Altes Testament" ganz selbstverständlich benutzen, obwohl diese Begriffe zugleich mehrere markante Fehler beinhalten?

 

Alles begann mit einem Mann namens Marcion.

 

Dieser damals einflußreiche Mann war eine bedeutende Figur in der frühen Geschichte des entstehenden Christentums. Er ist uns heute bekannt für seine Rolle in der Entwicklung der christlichen Theologie und der Bildung des neutestamentlichen Kanons. Er lebte im 2. Jahrhundert n. Chr., etwa in den Jahren 85-160. Marcion war der Sohn eines Bischofs und er selbst war ein wohlhabender Schiffseigner aus Sinope (in der heutigen Türkei gelegen, in der Stadt Sinop).

 

Marcions theologische Ideen wurden von der frühchristlichen Kirche aber als ketzerisch betrachtet. Denn er glaubte an einen radikalen Dualismus zwischen dem Gott des jüdischen Schriftkanons und einem Gott der Liebe und Barmherzigkeit in den Schriften des Neuen Bundes, der sich in Jesus Christus offenbart hat. Den bestehenden jüdischen Kanon betitelte er als "Altes Testament" und seinen Gott bezeichnete er als "Demiurg" (aus der griechischen Mythologie). Für Marcion war der Gott des Alten Testaments ein strenger und rachsüchtiger Gott, der für die Schöpfung der materiellen Welt verantwortlich war, während der Gott des Neuen Testaments ein höherer, unbekannter Gott war, der Jesus geschickt hatte, um die Menschheit vor den Klauen des Demiurgen zu retten.

Hinsichtlich des Neuen Testaments erstellte Marcion seinen eigenen Kanon, wobei er das gesamte Alte Testament ausschloss. Sein neuer "christlichen" Kanon beinhaltete eine modifizierte Version des Lukasevangeliums sowie zehn Briefe des Paulus (Galater, 1. und 2. Korinther, Römer, 1. und 2. Thessalonicher, Epheser, Kolosser, Philemon und Philipper). Die anderen Evangelien nach Matthäus, Markus und Johannes lehnte er ab, ebenso auch andere Schriften, die später Teil des orthodoxen christlichen Neuen Testaments wurden.

Marcions Lehren wurden von frühchristlichen Führern wie Irenäus und Tertullian als ketzerisch verurteilt. Die Kirchenväter argumentierten gegen Marcions Dualismus und betonten die Kontinuität zwischen dem Alten und Neuen Testament. Trotz seiner Ablehnung durch das mainstream-Christentum beeinflussten Marcions Ideen spätere theologische Debatten und Diskussionen über die Natur Gottes, das Verhältnis zwischen dem Alten und Neuen Testament sowie die Bildung des biblischen Kanons.

Marcions Idee eines christlichen Schriftenkanons beeinflusste das werdende Christentum in der Folge zur Bildung desselben. Marcions Beweguung ging später unter. Doch was blieb, war die christliche Bezeichnung von "Altem- und Neuem Testament".

Ich möchte die Leser hier darauf aufmerksam machen, dass diese Bezeichnung mehrere Fehler aufweisen. Zunächst der Begriff "Neues Testament". Diese Bezeichnung ist aus dem Propheten Jeremia kp. 31, 31-33 entnommen: 

31  „Siehe, Tage kommen,“ spricht der Ewige, „da schließe ich mit dem Haus Israel und mit dem Haus Jehuda einen neuen/erneuerten Bund - בְּרִית חֲדָשָׁה brit-chadascha

32  nicht wie der Bund, den ich mit ihren Vätern geschlossen habe an dem Tag, als ich sie bei der Hand fasste, um sie aus dem Land Ägypten herauszuführen, - diesen meinen Bund haben sie gebrochen, obwohl ich doch ihr Herr war,“ spricht der Ewige. 

33  "Sondern das ist der Bund, den ich mit dem Haus Israel nach jenen Tagen schließen werde", spricht der Ewige: „Ich werde meine Tora - תּוֹרָתִי in ihr Inneres legen und werde es auf ihr Herz schreiben. Und ich werde ihr Elohim sein, und sie werden mein Volk sein.“

Diese Passage hier spricht nicht von einem komplett neuen Bund. Dieser "Neue Bund" - brit-chadascha, von dem hier die Rede ist, steht in direktem Bezug zu dem Bund, den Elohim mit dem Volk Israel am Berg Sinaj geschlossen hatte. Es ist der "Bund der Tora". Hier im Zusammenhang bedeutet dieser "Neue Bund" einen erneuten Bund. D. h. der Ewige erneuert den vorherigen Bund, den er mit seinem Volk Israel am Berg Sinaj geschlossen hatte. Wir wissen, dass mit der Ausgießung des Ruach-haKodesch an Schavu'ot in Apg. 2  diese Prophezeiung Jeremias sich zum Teil erfüllte. Die Erneuerung des Bundes am Sinaj besteht in zweierlei Dingen: 1. ) dass mit dem Heiligen Geist die Gebote der Tora nun in und auf die Herzen der Gläubigen geschrieben werden sollen. 2.) in einer Erweiterung: dass fortan dieser Bund nicht allein auf das Volk Israel beschränkt ist, sondern die an den Messias Israel Gläubigen aus aller Welt erweitert worden sind.

Marcions Bezeichnung als "Neues Testament" war durchaus richtig.

Fortsetzung folgt.....

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